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Was kostet eine 24-Stunden-Betreuung aus Polen wirklich? Eine transparente Kostenanalyse

Die Zahl älterer Menschen in Deutschland wächst stetig – mit ihr aber auch die Nachfrage nach bedarfsgerechter Pflege. Viele Familien stehen heute vor einer zentralen Frage: Wie kann eine würdevolle Betreuung für Angehörige im eigenen Zuhause sichergestellt werden, ohne an persönliche oder finanzielle Grenzen zu stoßen? Ein zunehmend gewähltes Modell ist die sogenannte 24-Stunden-Betreuung durch Betreuungskräfte aus Polen oder anderen osteuropäischen Ländern. Doch wie realistisch sind die oft genannten Kostenangaben von 2.000 bis 3.000 Euro monatlich wirklich? Was ist darin enthalten, was nicht – und welche versteckten Ausgaben können entstehen?

Ziel dieses Artikels ist es, eine umfassende, transparente Kostenanalyse für die 24-Stunden-Betreuung durch polnische Pflegekräfte zu liefern. Im Fokus steht dabei die reale Belastung für betroffene Familien in Deutschland sowie die Abgrenzung zu anderen Pflegeformen wie der stationären Pflege im Heim oder der ambulanten Unterstützung. Berücksichtigt werden dabei nicht nur finanzielle Faktoren, sondern auch emotionale, organisatorische und rechtliche Aspekte.

Die Auseinandersetzung mit diesem Thema ist nicht nur wegen der steigenden Lebenserwartung von Bedeutung. Vielmehr offenbart sich hier eine grundlegende gesellschaftliche Herausforderung: die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit, familiären Verpflichtungen und der Verantwortung gegenüber älteren Angehörigen. Zahlreiche pflegende Angehörige befinden sich in einem emotionalen Spannungsfeld zwischen Fürsorge, Pflichtgefühl und Überlastung. Eine fundierte Entscheidungsgrundlage ist daher unerlässlich.

Was bedeutet 24-Stunden-Betreuung konkret?

Die Bezeichnung „24-Stunden-Betreuung“ ist zwar geläufig, doch nicht unumstritten. Sie suggeriert eine dauerhafte Verfügbarkeit der Betreuungskraft – rechtlich und praktisch besteht diese jedoch nicht.

Definition und Abgrenzung

Bei der 24-Stunden-Betreuung zieht üblicherweise eine osteuropäische Betreuungskraft, häufig aus Polen, in den Haushalt der pflegebedürftigen Person ein. Die Tätigkeit umfasst hauswirtschaftliche Versorgung, einfache pflegerische Hilfen und Begleitung im Alltag.

Die Betreuungskraft soll nicht medizinisch-pflegerische Aufgaben im Sinne der Behandlungspflege übernehmen – dies bleibt dem ambulanten Pflegedienst vorbehalten. Die Arbeitszeit orientiert sich rechtlich an geltenden Arbeitszeitregelungen und liegt de facto bei täglich 8 bis maximal 10 Stunden, mit Bereitschaftszeiten.

Leistungen im Überblick

Typische Tätigkeiten der Betreuungskräfte:

  • Unterstützung bei Körperpflege (z. B. Waschen, Ankleiden)
  • Haushaltsführung (Kochen, Putzen, Einkaufen)
  • Begleitung zu Arztbesuchen und Spaziergängen
  • Gesellschaft leisten, Gespräche führen
  • Nachtbereitschaft bei Bedarf

Was kostet eine 24-Stunden-Betreuung aus Polen wirklich?

Die monatlichen Kosten liegen, je nach Anbieter, Qualifikation der Betreuungskraft und Sprachkenntnissen, zwischen 2.000 und über 3.500 Euro. Seriöse Anbieter weisen transparent aus, welche Beträge wofür anfallen. Dennoch gibt es häufig Unsicherheiten über versteckte oder zusätzliche Kosten.

Kostenbestandteile im Detail

  • Vermittlungsgebühr: Einmalig oder monatlich, je nach Agentur. Häufig zwischen 200 und 400 Euro monatlich.
  • Gehalt der Betreuungskraft: Der größte Posten, ca. 1.600 bis 2.200 Euro netto (plus Sozialabgaben, bei legaler Entsendung).
  • Reisekosten: Zwischen 100 und 300 Euro pro Wechsel.
  • Unterkunft und Verpflegung: Frei im Haushalt der zu betreuenden Person; dieser geldwerte Vorteil ist berücksichtigt.

Die genauen Kosten hängen stark von den Anforderungen der Pflegebedürftigen ab. Bei Demenz, nächtlicher Unruhe oder eingeschränkter Mobilität erhöht sich der Betreuungsaufwand – und damit erfahrungsgemäß auch die zu zahlende Vergütung.

Zusätzliche, oft übersehene Ausgaben

Neben der monatlichen Pauschale sollten folgende Punkte einkalkuliert werden:

  • Eventuell notwendige Anpassungen im Wohnraum (z. B. Pflegebett, Barrierefreiheit)
  • Koordination mit ambulanten Pflegediensten für medizinische Leistungen
  • Abwesenheitsvertretung der Betreuungskraft (z. B. Urlaub, Krankheit)

Beispielrechnung

Eine typische Konstellation:

  • Pflegebedürftiger mit Pflegegrad 3
  • Betreuungskraft mit mittleren Deutschkenntnissen
  • Monatlicher Preis der Agentur: 2.400 Euro
  • Reisekosten alle sechs Wochen: 150 Euro

Gesamtkosten pro Monat: etwa 2.550 Euro

Dem gegenüber stehen Pflegegeld-Leistungen: bei Pflegegrad 3 beträgt das 545 Euro monatlich. Zusätzlich kann Entlastungsbetrag (§45b SGB XI, 125 Euro/Monat) verwendet werden.

Rechtliche Grundlagen in Deutschland

Die Beschäftigung von osteuropäischen Betreuungskräften beruht typischerweise auf dem sogenannten Entsende-Modell nach EU-Dienstleistungsfreiheit. Das bedeutet: Die Betreuungskraft ist bei einem ausländischen Unternehmen angestellt und wird legal nach Deutschland entsendet.

Worauf Familien achten sollten

Gemäß deutschem Recht sind folgende Punkte wichtig:

  • Vorlage der A1-Bescheinigung (Nachweis sozialversicherungsrechtlicher Absicherung)
  • Erklärung zu Arbeitszeiten und Pausen
  • Regelung zur Haftung und Arbeitsausfall

„Es ist essenziell, dass Familien den rechtlichen Status der Betreuungskraft verstehen – Unwissenheit kann im Streitfall zu erheblichen Problemen führen“, erläutert Dr. Markus Feldt, Fachanwalt für Sozialrecht in München.

Alternativ kann die Betreuungskraft auch direkt in Deutschland angestellt werden. Dies ist jedoch mit höherem Bürokratieaufwand sowie Arbeitgeberpflichten verbunden (z. B. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Sozialabgaben, Anmeldung bei Minijobzentrale bzw. Agentur für Arbeit).

Wie steht die 24-Stunden-Betreuung im Vergleich zu anderen Pflegeformen?

Die Entscheidung für ein Betreuungsmodell hängt nicht allein vom Preis ab. Auch emotionale Faktoren, Autonomie und individuelle Bedürfnisse müssen berücksichtigt werden.

Stationäre Pflege im Pflegeheim

Kosten

Die Eigenanteile in Pflegeheimen variieren stark, liegen jedoch durchschnittlich bei 2.300 bis 2.800 Euro im Monat, trotz Leistungen der Pflegeversicherung.

Leistungsumfang

  • Pflege und medizinische Versorgung rund um die Uhr
  • Soziale Angebote innerhalb der Einrichtung
  • Weniger Individualität im Alltag

Ambulante Pflegedienste

Kosten und Finanzierung

Abhängig von der Anzahl täglicher Einsätze (z. B. 2-mal täglich) können Kosten von 1.000 bis 2.000 Euro entstehen. Die Pflegeversicherung übernimmt je nach Pflegegrad anteilig Leistungen aus dem Sachleistungsbudget.

Vorteile

  • Professionelle medizinische Versorgung (z. B. Medikamentengabe, Wundversorgung)
  • Flexible Kombination mit Angehörigenpflege
  • Beibehalten des eigenen Haushalts

Für wen eignet sich welche Lösung?

Die 24-Stunden-Betreuung eignet sich insbesondere für:

  • Menschen mit ausgeprägtem Wunsch, im eigenen Zuhause zu bleiben
  • Pflegebedürftige mit emotionalem Bedürfnis nach kontinuierlicher Begleitung
  • Situationen, in denen pflegende Angehörige entlastet werden müssen

„In der Betreuung alleinstehender Senioren mit Demenz ist die häusliche Einbindung entscheidend – sie verhindert Orientierungsverlust, der in Einrichtungen oft zunimmt“, so Susanne Grimm, Pflegewissenschaftlerin an der Hochschule Bremen.

Wie unterstützt der Sozialstaat?

Die gesetzliche Pflegeversicherung bietet bei häuslicher Betreuung verschiedene Leistungen:

Pflegegeld (bei Angehörigen- oder Betreuungskräftepflege)

  • Pflegegrad 2: 316 Euro
  • Pflegegrad 3: 545 Euro
  • Pflegegrad 4: 728 Euro
  • Pflegegrad 5: 901 Euro

Das Pflegegeld kann an die Betreuungsperson weitergereicht werden.

Verhinderungspflege (bis zu 1.612 Euro/Jahr)

Während Urlaubs oder Krankheit der Betreuungskraft kann eine Ersatzpflege finanziert werden. Auch dieses Budget ist kombinierbar mit der Kurzzeitpflege.

Steuerliche Entlastungen

  • Haushaltsnahe Dienstleistungen: Absetzbar bis maximal 4.000 Euro pro Jahr
  • Außergewöhnliche Belastung: Nach individueller Zumutbarkeit prüfbar

Fazit: Eine individuelle Entscheidung mit vielen Facetten

Die 24-Stunden-Betreuung durch Kräfte aus Polen stellt eine wertvolle Alternative zur stationären Pflege dar – insbesondere für Familien, die für ältere Angehörige einen familiären Alltag ermöglichen wollen. Doch die tatsächlichen Kosten gehen oft über die initialen Monatsbeträge hinaus und müssen umfassend kalkuliert werden.

Neben finanziellen Gesichtspunkten spielen emotionale Stabilität, kulturelle Verständigung sowie rechtliche Sicherheit eine wesentliche Rolle. Kein Modell ist per se besser – entscheidend ist immer, was zu der jeweiligen Lebenssituation passt.

Für Interessierte und Betroffene empfiehlt sich:

  • Kontaktaufnahme mit einer Pflegeberatung der Krankenkasse oder Pflegekasse
  • Prüfung der steuerlichen Absetzbarkeit der Betreuungskosten
  • Nutzung von Pflegegeld, Entlastungsbetrag und Verhinderungspflege
  • Rechtliche Prüfung des Modells (z. B. durch einen Fachanwalt oder die Verbraucherzentrale)

Schließlich bleibt zu betonen: Pflege ist eine persönliche Aufgabe – und zugleich eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Eine fundierte Auseinandersetzung mit den Kosten und Möglichkeiten ist der erste Schritt hin zu mehr Sicherheit, Entlastung und Würde im Alter.

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