40

Unterstützung bei Diabetes: Ernährung, Blutzuckerkontrolle und Alltagsroutinen für Senioren

Die Frage „Kommt die Betreuungskraft mit einer Diabetes-Diät und den Messungen zurecht?“ ist für viele Angehörige, die sich um ihre älteren Eltern oder Verwandten kümmern, allgegenwärtig. Mit der alternden Bevölkerung in Deutschland steigt die Anzahl der Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes Typ 2 erheblich. Gleichzeitig werden Betreuung und Pflege zunehmend zu einem familiären, gesundheitspolitischen und gesellschaftlichen Thema. Wenn Betroffene nicht mehr allein zu Hause leben können oder im Alltag Unterstützung benötigen, stehen Angehörige vor organisatorischen, emotionalen und rechtlichen Herausforderungen. Dieser Artikel beleuchtet, wie eine adäquate Unterstützung bei Diabetes für Seniorinnen und Senioren gelingen kann – mit besonderem Blick auf Ernährung, Blutzuckerkontrolle und die Gestaltung alltagsnaher Routinen – im häuslichen sowie im institutionellen Kontext. Zudem wird aufgezeigt, wie Betreuungskräfte auf solche Anforderungen vorbereitet sein können und welche Hilfe Angehörigen in Deutschland zur Verfügung steht.

Diabetes im Alter – eine zunehmende Herausforderung

In Deutschland leiden schätzungsweise über 7 Millionen Menschen an Diabetes, davon ein Großteil an Typ-2-Diabetes. Besonders in der Altersgruppe über 65 Jahren liegt die Prävalenz teilweise bei über 25 %. Mit dem Alter verändert sich nicht nur der Stoffwechsel, sondern auch das Krankheitserleben und die Möglichkeiten der Selbstpflege.

Ältere Menschen mit Diabetes sind häufig multimorbid, leiden also gleichzeitig an weiteren chronischen Erkrankungen wie Bluthochdruck, Arthrose oder Demenz. Dies macht eine präzise abgestimmte Behandlung, insbesondere in Bezug auf Ernährung, Bewegung und Medikamenteneinnahme, unabdingbar. Viele Seniorinnen und Senioren sind auf Unterstützung durch Angehörige oder professionelle Betreuungskräfte angewiesen.

*„In der Betreuung älterer Menschen mit Diabetes ist eine verständnisvolle Kommunikation entscheidend. Die Krankheit darf nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss in den gesamten Alltag des Betroffenen integriert werden“* – sagt Dr. Heike Mertens, Diabetologin und Geriaterin aus Hannover.

Emotionale Belastung für Angehörige und Betroffene

Der Alltag mit Diabetes bedeutet nicht nur Blutzucker messen und Tabletten nehmen. Die Diagnose bringt häufig emotionale Unsicherheit mit sich: Angst vor Spätfolgen wie Amputationen oder Erblindung sind reale Sorgen. Angehörige stehen oft unter großem Druck, die Balance zwischen Unterstützung und nötiger Selbständigkeit der älteren Person zu finden.

Besonders herausfordernd ist die Frage, ob und in welchem Maße eine Betreuungskraft über die erforderlichen Kenntnisse im Umgang mit Diabetes verfügt:

  • Wie detailreich muss die Ernährung angepasst sein?
  • Wie häufig und korrekt wird der Blutzucker gemessen?
  • Können Insulindosen angepasst oder Notfälle erkannt werden?

Diese Fragestellungen sollten sowohl bei der Auswahl einer Betreuungsperson als auch bei der Entscheidung für ambulante oder stationäre Pflegeeinrichtungen berücksichtigt werden.

Individuelle Betreuung im häuslichen Umfeld

Viele Seniorinnen und Senioren möchten so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden bleiben. Die häusliche Pflege durch Angehörige oder durch eine sogenannte 24-Stunden-Betreuungskraft ist daher ein weit verbreitetes Modell. Doch gerade bei Diabetes müssen hier einige Aspekte besonders beachtet werden.

Die Rolle der Betreuungskraft

Betreuungskräfte aus dem Ausland, vor allem aus Osteuropa, übernehmen in vielen Haushalten pflegerische Aufgaben wie Kochen, Körperpflege, Hilfe beim Anziehen oder Begleitung bei Arztbesuchen. Häufig fehlt jedoch das medizinische Hintergrundwissen über chronische Erkrankungen wie Diabetes. Hier ist gezielte Schulung notwendig, beispielsweise in folgenden Bereichen:

  • Grundlagen des Diabetes mellitus Typ 2
  • Lebensmittelkunde: Was senkt oder erhöht den Blutzucker?
  • Richtige Anwendung von Blutzuckermessgeräten
  • Beobachtung von Anzeichen für eine Hypo- oder Hyperglykämie

*„Wichtig ist, dass die Betreuungskraft eine Routine entwickelt – tägliche Uhrzeiten für Messen und Essen vermitteln dem Senior Stabilität“* – erklärt Maria Thalberg, Pflegeberaterin aus Mainz.

Angehörige und Pflegedienste sollten regelmäßig evaluieren, ob die Kompetenz der Betreuungskraft den Anforderungen entspricht. Unterstützend wirken dabei Schulungsprogramme sowohl für Laien als auch für semi-professionelle Pflegekräfte, etwa durch lokale Volkshochschulen oder über Netzwerke wie „Pflege zu Hause“.

Ernährung und Blutzuckerkontrolle im Alltag

Ernährung ist einer der wichtigsten Bausteine im Diabetesmanagement. Für Senioren gelten jedoch andere Maßstäbe als für jüngere Menschen – stark kalorienreduzierte Diäten sind oft nicht angemessen, da sie den Ernährungsstatus gefährden. Stattdessen sollte der Fokus auf einer ausgewogenen Mischkost liegen:

  • Regelmäßige, kleine Mahlzeiten zur Vermeidung von Blutzuckerspitzen
  • Vollkornprodukte, ballaststoffreiche Kost
  • Reduzierter Zuckerkonsum ohne gänzlichen Verzicht
  • Ausreichend Flüssigkeit, besonders bei älteren Menschen mit eingeschränktem Durstgefühl

Betreuungskräfte müssen in der Lage sein, Einkaufslisten sinnvoll zusammenzustellen und Gerichte so zu kochen, dass sie sowohl schmackhaft als auch diabetestauglich sind.

Zur Blutzuckerkontrolle gehört die sachgemäße Durchführung der Messung, eine genaue Dokumentation und im Idealfall auch das Erkennen von Ausreißern oder Mustern. Hier empfiehlt sich der Einsatz eines standardisierten Messplans, z. B. vor den Mahlzeiten und zur Nacht.

Finanzielle und rechtliche Rahmenbedingungen

Pflegebedürftige Menschen mit Diabetes können in Deutschland Leistungen der Pflegeversicherung beanspruchen. Diese richten sich nach dem zugewiesenen Pflegegrad (1–5) und umfassen:

  • Pflegegeld – bei häuslicher Pflege durch Angehörige oder Betreuungspersonen
  • Pflegesachleistungen – bei Inanspruchnahme eines ambulanten Pflegedienstes
  • Kombinationsleistungen – für gemischte Versorgungsformen
  • Verhinderungspflege – für Urlaubs- oder Krankheitsvertretung der Betreuungsperson

Insbesondere die Verhinderungspflege bietet Angehörigen eine Entlastung für bis zu 6 Wochen im Jahr (1.612 € jährlich, Stand 2024), z. B. um sich von der Verantwortung zu erholen oder Termine wahrzunehmen.

Wichtig: Pflegebedürftige müssen einen Pflegegrad bei der Pflegekasse beantragen. Ein Gutachten durch den Medizinischen Dienst erfolgt in der Regel binnen weniger Wochen. Ärztliche Atteste und eine Dokumentation des Pflegebedarfs (z. B. Blutzuckermessprotokolle) können hier unterstützend wirken.

Diabetesbetreuung in Pflegeeinrichtungen

Für viele ältere Menschen wird im Verlauf der Erkrankung ein Umzug in ein Pflegeheim oder eine betreute Wohnform erforderlich. Diese Einrichtungen verfügen über pflegerisches Fachpersonal und sind verpflichtet, individuelle Pflegepläne – inklusive Diabetesversorgung – zu erstellen.

Qualitätsstandards und ärztliche Begleitung

Pflegeheime unterliegen den Qualitätsprüfungen des Medizinischen Dienstes und sind rechtlich verpflichtet, eine sachgerechte Medikation, Ernährung und Überwachung chronischer Erkrankungen sicherzustellen. Ärztliche Hausbesuche und Kooperationen mit Diabetologen sind in vielen Einrichtungen Standard.

Die Vorteile stationärer Einrichtungen bzgl. Diabetesversorgung:

  • Zugriff auf ausgebildetes Personal (Altenpfleger, Pflegefachkräfte)
  • Medikamentengabe durch examinierte Kräfte
  • Regelmäßige ärztliche Konsultationen
  • Spezielle Kostformen, die in Großküchen eingepflegt sind
  • Notfallmanagement bei Hypoglykämie oder Hyperglykämie

Dennoch müssen Angehörige wachsam bleiben. Nicht jedes Heim ist mit Spezialdiäten vertraut, nicht jede Pflegekraft erkennt kritische Werte. Ein enger Austausch zwischen Familie, Pflegepersonal und Hausarzt ist daher essenziell.

*„Der strukturierte Pflegeplan ist das Herzstück jeder Diabetesversorgung im Heim – er muss an den Alltag und die Bedürfnisse des Bewohners angepasst sein“* – betont Sylvia Krüger, Heimleiterin eines Pflegezentrums in Leipzig.

Routinen etablieren – Stabilität schaffen

Routine gibt Halt – das gilt besonders für ältere Menschen mit chronischen Erkrankungen. Die beste medizinische Versorgung bringt wenig, wenn sie nicht verlässlich und regelmäßig umgesetzt wird. Hier können kleine, aber konsequent durchgeführte Maßnahmen viel bewirken:

  • Immer zur gleichen Zeit messen, essen und Medikamente einnehmen
  • Tägliche Bewegung, angepasst an den körperlichen Zustand
  • Trinkpläne und Erinnerungszettel im Haus
  • Sichtbare Platzierung der Messgeräte und Dokumentationsbögen
  • Regelmäßiger Kontakt zur Ärztin oder zum Pflegedienst

Technische Hilfsmittel wie sprechende Blutzuckermessgeräte, elektronische Medikationserinnerungen oder Apps (z. B. „MySugr“ oder „SiDiary“) können als Ergänzung sinnvoll sein, insbesondere wenn die betreuende Person technikaffin ist.

Fazit: Gute Betreuung braucht Planung, Wissen und Einfühlungsvermögen

Die Betreuung älterer Menschen mit Diabetes stellt Angehörige, Pflegekräfte und das Gesundheitssystem vor komplexe Aufgaben. Doch mit dem richtigen Wissen, einer vorausschauenden Organisation und empathischer Zuwendung lässt sich der Alltag gut gestalten. Entscheidend ist, dass Ernährung, Blutzuckerkontrolle und Tagesstruktur in greifbare Routinen übergehen – ob zu Hause oder in der Einrichtung.

Wer in der Verantwortung steht, sollte sich informieren und beraten lassen. Pflegeberatungsstellen der Krankenkassen, lokale Pflegestützpunkte sowie Fachärztinnen und -ärzte stehen als Anlaufstellen bereit. Auch steuerliche Entlastungen oder Unterstützung durch Verhinderungspflege können konkret entlasten. Letztlich hängt der Behandlungserfolg maßgeblich vom Zusammenspiel aller Beteiligten ab – und davon, wie sehr Erkrankung nicht als Einschränkung, sondern als Teil des Lebens angenommen wird.

*„In der Pflege geht es nie nur um das medizinisch Notwendige. Es geht darum, dem Menschen mit seiner Lebensgeschichte gerecht zu werden“* – sagt Dr. Heike Mertens.

Ein bewusster Umgang mit Diabetes im Alter kann nicht nur Spätfolgen verhindern, sondern Lebensqualität sichern – für Betroffene und ihre Angehörigen.

Über den Autor

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert