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Deutschkenntnisse der Betreuungskräfte: Welches Sprachniveau ist für Ihre Eltern ausreichend

Die Frage, ob eine Betreuungskraft fließend Deutsch sprechen muss, stellt sich immer dann, wenn Familien für ihre älteren Angehörigen eine Betreuung in Erwägung ziehen. Oft sind es erwachsene Kinder, die sich – nicht selten neben Beruf und eigener Familie – um die Pflege der Eltern kümmern. In einer alternden Gesellschaft wie der deutschen, in der bereits heute rund 22 Millionen Menschen über 60 Jahre alt sind, gewinnt das Thema häusliche sowie institutionelle Pflege stetig an Bedeutung. Der wachsende Bedarf an Betreuungskräften trifft auf einen Fachkräftemangel, der dazu führt, dass ein erheblicher Teil der Pflegerinnen und Pfleger aus dem Ausland kommt – oft mit eingeschränkten Deutschkenntnissen.

In dieser Situation entsteht bei vielen Angehörigen ein Spannungsfeld: Einerseits möchte man den Eltern eine empathische, zuverlässige und sichere Betreuung bieten, andererseits steht man vor der praktischen und organisatorischen Frage, ob die sprachlichen Fähigkeiten der Betreuungskraft dafür ausreichen. Dieser Artikel beleuchtet ausführlich, welches Sprachniveau Pflegekräfte in verschiedenen Betreuungssituationen benötigen – unter Berücksichtigung rechtlicher Vorgaben, sozialer Erwartungen und der Lebenswirklichkeit pflegebedürftiger älterer Menschen in Deutschland.

Warum Sprachkompetenz in der Pflege entscheidend ist

Kommunikation als Grundpfeiler der pflegerischen Beziehung

Sprache ist weit mehr als ein funktionales Mittel zur Informationsvermittlung – sie ist zentraler Bestandteil jeder zwischenmenschlichen Beziehung. In der Pflege kommt ihr eine besonders sensible Rolle zu: Viele ältere Menschen sind körperlich eingeschränkt, verlieren eventuell kognitive Fähigkeiten oder befinden sich emotional in einer belastenden Lebensphase. Hier bietet Sprache nicht nur Orientierung, sondern auch Trost und Sicherheit.

Die Gerontologin Dr. Claudia Meinhardt betont: „In der Betreuung älterer Menschen ist nicht nur das Tun wichtig, sondern auch das Wie – ein verständlich ausgesprochenes Wort, ein zugewandter Satz können den Unterschied zwischen Isolation und Vertrauen ausmachen.“

Gefahren durch mangelnde Verständigung

Eine unzureichende sprachliche Verständigung kann im pflegerischen Alltag reale Risiken bergen. Beispiele aus der Praxis zeigen:

  • Medikamente werden falsch verstanden oder eingenommen, wenn Dosierungshinweise nicht korrekt übermittelt werden.
  • Schmerzen oder Unwohlsein werden nicht erkannt, weil der Pflegebedürftige sie nicht adäquat mitteilen oder die Pflegekraft sie nicht deuten kann.
  • Kleine Missverständnisse können zu Unsicherheit oder gar Ablehnung auf beiden Seiten führen, womit das Betreuungsverhältnis belastet wird.

Insbesondere bei demenziell erkrankten Menschen ist eine klare, empathische und einfache Sprache essenziell, da sie oft ohnehin Schwierigkeiten haben, Reize zu verarbeiten.

Sprachniveaus nach dem GER – Welche Stufe ist ausreichend?

Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen (GER)

Zur Einordnung sprachlicher Kompetenzen dient in Europa der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GER), der sechs Niveaustufen kennt:

  • A1-A2 (elementare Sprachverwendung): einfache Alltagsausdrücke, kurze Sätze, grundlegendes Verständnis
  • B1-B2 (selbstständige Sprachverwendung): zusammenhängende Gespräche, Verständnis alltäglicher Themen, situationsgerechtes Reagieren
  • C1-C2 (kompetente Sprachverwendung): differenzierte Ausdrucksfähigkeit, komplexe Texte verstehen und erzeugen

Empfohlenes Sprachniveau in der häuslichen 24-Stunden-Betreuung

In der häuslichen Versorgung, insbesondere im Rahmen der sogenannten 24-Stunden-Betreuung, leben Betreuende im selben Haushalt wie die pflegebedürftige Person. Hier sind häufig Betreuungskräfte aus Mittel- oder Osteuropa tätig, deren Deutschkenntnisse stark variieren. Für solche Situationen gilt:

  • Mindestens A2: für die Grundversorgung, z. B. Unterstützung bei Körperpflege, Mobilität, Haushalt, sofern keine pflegerische Behandlung notwendig ist.
  • B1 wünschenswert: für ein vertrauensvolles, respektvolles Miteinander – insbesondere wenn die betreute Person kommunikativ ist oder sich an Gesprächen aktiv beteiligen möchte.

In vielen Agenturverträgen wird A2-B1 als Zielniveau angegeben. Dies reicht zumeist für Alltagssituationen aus, setzt jedoch voraus, dass keine schwerwiegenden medizinischen Aufgaben übernommen werden – diese stehen Pflegefachkräften zu.

Sprachniveau bei ambulanten Pflegediensten und in Pflegeheimen

In Einrichtungen wie Pflegeheimen oder bei ambulanten Pflegediensten ist die Lage differenzierter: Hier arbeitet das Personal arbeitsteilig und häufig in Teams. Die Anforderungen sind höher, insbesondere unter juristischen und medizinischen Gesichtspunkten:

  • Mindestens B1: für Pflegeassistenten, die mit Pflegebedürftigen interagieren und Anordnungen verstehen müssen.
  • Mindestens B2: für examinierte Kräfte, die Pflegeberichte schreiben, Medikationen dokumentieren oder mit Ärzten kommunizieren.

Da Pflegeeinrichtungen formal kontrolliert werden (z. B. durch den Medizinischen Dienst), ist die Sprachkompetenz hier nicht nur wünschenswert, sondern oft auch verpflichtend.

Rechtliche Rahmenbedingungen und ihre Bedeutung

Pflegestufen, Leistungen und sprachliche Anforderungen

Mit dem Pflegestärkungsgesetz wurden die Pflegegrade 1 bis 5 eingeführt, die den Umfang der Pflegebedürftigkeit beschreiben. Pflegegeld und Pflegesachleistungen hängen von diesen Graden ab. Die Sprache ist hier entscheidend:

  • Bei der Begutachtung durch den MD (Medizinischer Dienst) kann mangelnde Kommunikation zu einer falschen Einstufung führen.
  • Pflegebedürftige mit hohem Hilfebedarf (Pflegegrad 4 oder 5) benötigen oft Betreuungspersonen, die Krankheitsbilder verstehen und erkennen können.
  • Bei der Verhinderungspflege muss die Ersatzpflegekraft ebenfalls angemessen qualifiziert sein – hier spielt die Kommunikationsfähigkeit eine Rolle bei der Genehmigung.

Rechtsanspruch auf angemessene Betreuung

Gemäß § 2 SGB XI haben Pflegebedürftige Anspruch auf eine würdevolle, am individuellen Bedarf orientierte Pflege. Auch das Patientenrechtgesetz (§ 630 BGB) sieht vor, dass Informationen so zu vermitteln sind, dass sie verstanden werden können.

Daraus ergibt sich mittelbar die Notwendigkeit, dass Betreuungskräfte zumindest über ein grundlegendes Sprachniveau verfügen müssen, das eine sichere Versorgung gewährleistet. Angehörige sollten daher bei der Auswahl der Betreuung genau auf Sprachkenntnisse achten.

Emotionale und kulturelle Aspekte der sprachlichen Verständigung

Vertrauen durch Sprache

Sprache schafft Nähe und Vertrauen – ein zentraler Aspekt bei älteren Menschen, die häufig durch Krankheit, Tod des Partners oder kognitive Veränderungen verunsichert sind. Gerade in Situationen des Alleinseins oder der Ängstlichkeit kann das gesprochene Wort Halt bieten.

„Für viele Seniorinnen und Senioren ist es entscheidend, dass sie sich verstanden fühlen – nicht nur sachlich, sondern auch emotional“, erklärt Sozialpädagogin Heike Brenner, die seit Jahren mit pflegebedürftigen Menschen arbeitet.

Kulturelle Missverständnisse vermeiden

Viele Betreuungskräfte stammen aus Ländern mit anderen familiären, religiösen oder gesellschaftlichen Prägungen. Hier kann Sprache als Brücke fungieren:

  • Missverständnisse bei Essgewohnheiten, Höflichkeitsformen oder Umgang mit Intimsphäre können reduziert werden.
  • Wenn Betreuungspersonen Kulturkonzepte erklären oder nachfragen können, erhöht das die Qualität der Pflege.

Pflege bleibt stets eine interkulturelle Herausforderung – gute Sprachkenntnis hilft, diese Brücke erfolgreich zu schlagen.

Praktische Empfehlungen für Angehörige

Was sollten Familien bei der Auswahl einer Betreuungskraft beachten?

  • Sprachtest anfordern: Seriöse Agenturen bieten freiwillige oder standardisierte Sprachlevelnachweise (z. B. telc, Goethe-Zertifikat).
  • Telefonisches Vorgespräch: Sprechen Sie persönlich mit der Betreuungskraft oder deren Vermittler, um ein Gefühl für die Sprachpraxis zu bekommen.
  • Dokumentieren Sie Beobachtungen: Notieren Sie Sprachprobleme und klären Sie mit dem Anbieter eine Lösung (z. B. Zusatzzahlung für bessere Qualifikation).
  • Förderung durch Sprachkurse: Einige Städte und Landkreise bieten kostengünstige Deutschkurse für Pflegekräfte an. Manchmal unterstützt auch die Pflegekasse der betreuten Person anteilig Fortbildungen.

Fazit: Sprachkompetenz ist kein Luxus, sondern Voraussetzung für Qualität

Die Entscheidung für eine Betreuungskraft ist immer eine Vertrauenssache – und Vertrauen entsteht dort, wo Kommunikation möglich ist. Auch wenn eine Pflegekraft nicht perfekt Deutsch spricht, sollte sie in der Lage sein, grundlegende Bedürfnisse zu verstehen, angemessen zu reagieren und Sicherheit zu geben. In der häuslichen Pflege kann ein Sprachniveau A2 für basale Betreuung genügen – bei medizinisch-pflegerischer Verantwortung und Teamarbeit sind jedoch deutlich höhere Sprachniveaus unabdingbar.

Zugleich sollten Angehörige sprachliche Schwächen nicht als unüberwindbares Hindernis begreifen. Oft kann ein gutes Miteinander durch Geduld, Wiederholung und kulturelle Sensibilität gefördert werden. Doch dort, wo Verständigung zur Gesundheitsgefährdung wird, sind klare Kriterien notwendig.

Wer sich näher mit dem Thema befassen möchte, kann eine Pflegeberatung der Krankenkasse in Anspruch nehmen, sich über staatliche Unterstützungsangebote wie Verhinderungspflege oder Steuerermäßigungen informieren oder gezielt nach Betreuungskräften mit nachgewiesenem Sprachniveau suchen. Letztlich gilt: Gute Pflege beginnt mit dem Zuhören – und das setzt die Fähigkeit zu verstehen voraus.

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