Die Anreise der Betreuungskraft nach Deutschland: Wer organisiert die Fahrt und wie läuft sie ab

Die Frage „Wie kommt die Betreuungskraft zu mir nach Hause? Muss ich mir darüber Sorgen machen?“ beschäftigt viele Angehörige, die für die Pflege eines älteren Familienmitglieds Verantwortung tragen. In einer Gesellschaft, die zunehmend altert und in der familiäre Pflegekapazitäten oft an Grenzen stoßen, gewinnt das Thema häusliche Betreuung durch ausländische Kräfte seit Jahren an Relevanz. Nicht selten ist die Anreise einer Betreuungskraft – meist aus Osteuropa – der erste konkrete Schritt hin zu einer neuen Pflegesituation im eigenen Zuhause. Und doch bleiben dabei viele Fragen offen: Wer organisiert überhaupt die Fahrt nach Deutschland? Welche rechtlichen Grundlagen gelten? Wie sieht der Alltag der Betreuungskraft kurz nach der Ankunft aus? Und welche Verantwortung liegt dabei bei mir als Angehöriger oder Pflegebedürftigem?

In diesem Artikel erhalten Sie einen umfassenden Überblick über die organisatorischen, rechtlichen, kulturellen und sozialen Aspekte der Anreise von Betreuungskräften nach Deutschland. Ziel ist es, Ihnen Sicherheit für die eigene Planung zu geben, typische Fallstricke aufzuzeigen und Wege für eine menschlich tragfähige Lösung aufzuzeigen.

Das soziale und gesellschaftliche Umfeld: Warum wir Betreuungskräfte brauchen

Die deutsche Gesellschaft altert. Derzeit sind laut Statistischem Bundesamt über 23 % der Bevölkerung 65 Jahre oder älter – Tendenz steigend. Viele Senioren leben allein oder mit stark eingeschränkter familiärer Unterstützung. Gleichzeitig fehlen in der professionellen Pflege zehntausende Fachkräfte. In diesem Spannungsfeld übernehmen häusliche Betreuungskräfte – zumeist aus Polen, Rumänien oder der Slowakei – eine tragende Rolle.

Diese Betreuungsform liegt zwischen ambulanter und stationärer Pflege und ist häufig der Wunsch sowohl der Angehörigen als auch der Pflegebedürftigen selbst. Heimunterbringungen sind teuer, oft mitemotionaler Belastung verbunden und in ländlichen Regionen schwer erreichbar. Doch damit entsteht auch die Verantwortung, den Einsatz der Hilfe fair, legal und menschlich mitzugestalten.

Die Rolle der Betreuungskraft im häuslichen Pflegekontext

Abgrenzung gegenüber anderen Pflegeformen

Das Pflegeangebot in Deutschland ist vielfältig, aber auch komplex. Grob lassen sich folgende Formen unterscheiden:

  • Ambulanter Pflegedienst: kommt stundenweise ins Haus, meist medizinnahe Versorgung (z. B. Wundpflege, Medikamentengabe).
  • Pflegeheim: vollstationäre Betreuung, meist bei hohem Pflegegrad oder fehlender häuslicher Strukturen.
  • 24-Stunden-Betreuung: meist osteuropäische Kraft lebt vorübergehend im Haushalt der pflegebedürftigen Person, übernimmt hauswirtschaftliche Unterstützung, Alltagshilfe und soziale Begleitung.

Die sogenannte 24-Stunden-Betreuung (wenngleich dieser Begriff rechtlich irreführend sein kann) ermöglicht es vielen Senioren, trotz Pflegegrad und eingeschränkter Mobilität im eigenen Zuhause zu verbleiben.

*„Würde, Selbstbestimmung und ein vertrautes Umfeld – das sind zentrale Bedürfnisse im Alter. Eine Betreuung im eigenen Zuhause kann das aufrechterhalten“*, erklärt Dr. Katrin Neumann, Pflegewissenschaftlerin aus Frankfurt.

Typische Aufgaben einer häuslichen Betreuungskraft

Die Anreise der Betreuungskraft ist nur der erste Schritt. Vor Ort übernimmt sie in der Regel:

  • Alltagsbegleitung (Spaziergänge, Gespräche, Strukturierung des Tages)
  • Haushaltsführung (Kochen, Putzen, Waschen)
  • Hilfestellung bei der Körperpflege
  • Überwachung bei Demenz oder nächtlicher Unruhe

Wichtig: Es handelt sich in der Regel nicht um medizinische Pflege! Diese dürfen nur examinierte Pflegekräfte leisten.

Anreise und Organisation: Wer kümmert sich darum?

Private Anstellung vs. legale Entsendung

Wer eine Betreuungskraft engagiert, begegnet unterschiedlichen Organisationsmodellen:

  • Direkte Anstellung: Der Haushalt wird selbst zum Arbeitgeber. Alle Pflichten (Steuern, Sozialabgaben) liegen beim Auftraggeber.
  • Agenturmodell nach EU-Entsenderichtlinie: Eine ausländische Firma entsendet eine Betreuungskraft, nach deutschem Recht im Rahmen der EU-Dienstleistungsfreiheit legal. Rechtlich bleibt das Unternehmen Arbeitgeber.
  • Selbstständige Betreuungskräfte: Selten und rechtlich problematisch – häufig droht Scheinselbstständigkeit.

Die Mehrheit der Betreuungskräfte reist über das sogenannte Entsendemodell an und ist bei einem Unternehmen im Ausland angestellt, das sich um Sozialabgaben kümmert.

Wer organisiert konkret die Anreise?

Im Entsendemodell wird die gesamte Organisation zumeist durch die ausländische Firma oder deren deutsche Partneragentur übernommen. Dazu gehören:

  • Auswahl einer passenden Betreuungskraft
  • Abstimmung der Reisedetails (Bus, Zug oder privater Shuttle)
  • Bereitstellung einer 24h-Notfallnummer
  • Vertragliche Regelungen mit der Familie

Die Angehörigen erhalten einen Anreisezeitpunkt sowie – je nach Dienstleister – eine Rufnummer des Fahrers oder Koordinators. Eingesetzt werden häufig Kleinbusse, die mehrere Kräfte auf einmal befördern.

*„Der Change-Over – also der Wechsel innerhalb des Betreuungsteams – erfolgt meist alle sechs bis acht Wochen. Dabei ist Pünktlichkeit essenziell, um Lücken in der Betreuung zu vermeiden“*, erläutert Michael Berger, Geschäftsführer eines Betreuungsdienstes in Leipzig.

Was muss ich als Familie vorbereiten?

Praktische Empfehlungen für den Empfang der Betreuungskraft

  • Eigenes Zimmer bereitstellen: Mindestvoraussetzung ist ein abschließbarer Raum mit Bett, Kleiderschrank und Zugang zum Bad.
  • Internetanschluss: für viele Betreuungskräfte existenziell wichtig (Kontakt zur Familie, Navigation)
  • Einweisung: Notizen über Medikamentenpläne, Tagesstruktur, Vorlieben, medizinische Besonderheiten zusammenstellen.
  • Kontaktpersonen: Liste mit Telefonnummern für dringende Fälle (Hausarzt, nächster Angehöriger)

*„Gerade die erste Woche ist entscheidend für das Vertrauensverhältnis – Offenheit, klare Kommunikation und etwas Geduld wirken oft Wunder“*, betont Sabine Rogge, Fachberaterin in der häuslichen Altenpflege aus Köln.

Emotionale Aspekte nicht unterschätzen

Nicht nur logistisch, auch emotional bedeutet die Ankunft einer fremden Person im eigenen Zuhause eine Umstellung – sowohl für die Seniorin bzw. den Senior als auch für die Betreuungskraft. Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede oder Unsicherheiten im Umgang mit Demenz können anfangs herausfordernd sein.

Wertvoll ist es, wenn Angehörige in der Einführungsphase präsent bleiben, Übergänge begleiten und eine gegenseitige Vorstellung ermöglichen. Kleine Gesten – ein gemeinsames Essen, eine Blumenüberraschung, eine Begrüßungskarte in einfacher Sprache – schaffen Nähe.

Rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland

Pflegegrade und finanzielle Unterstützung

Der gesetzliche Pflegegrad (1–5) bildet die Grundlage für alle Leistungen aus der Pflegeversicherung. Um finanzielle Unterstützung für eine Privatbetreuung zu erhalten, sind insbesondere folgende Leistungen relevant:

  • Pflegegeld: für selbst organisierte Pflegekräfte (abhängig vom Pflegegrad, z. B. 316 € für Pflegegrad 2)
  • Verhinderungspflege: bis zu 1.612 € jährlich, wenn pflegende Angehörige verhindert sind
  • Kurzzeitpflege: stationäres Angebot bei Ausfall der häuslichen Betreuung, teilweise kombinierbar mit Verhinderungspflege
  • Steuerliche Absetzbarkeit: haushaltsnahe Dienstleistungen bis zu 4.000 € im Jahr

Der Antrag auf Pflegegrad ist bei der zuständigen Pflegekasse möglich. Eine Einstufung erfolgt durch den Medizinischen Dienst (MDK). Diese Bewertung beeinflusst maßgeblich, welche Ressourcen zur Verfügung stehen.

Fallbeispiel: Familie Bergmann aus Hannover

Nach dem Oberschenkelhalsbruch von Frau Bergmann (81) aus Hannover war schnell klar: Allein kann sie in ihrer Wohnung nicht mehr zurechtkommen. Tochter Jana, berufstätig mit eigenen Kindern, konnte die Pflege nicht abdecken. Der ambulante Pflegedienst kommt zweimal täglich – aber längerfristig braucht es mehr Betreuung.

Die Lösung: Eine polnische Betreuungskraft, über eine seriöse Agentur entsendet. Die Familie organisiert ein Gästezimmer, nimmt Urlaub für die erste Woche, spricht sich mit der Hausärztin ab. Die Kraft reist mit dem Kleinbus an, wird freundlich empfangen. Nach zwei Wochen pendelt sich der Alltag ein – Frau Bergmann fühlt sich sicher, Tochter Jana ist entlastet.

Fazit: Klarheit, Vorbereitung und Empathie schaffen sichere Wege

Die Frage, wie eine Betreuungskraft nach Deutschland gelangt und ob man sich um die Organisation der Anreise kümmern muss, lässt sich heute mit einem gewissen Maß an Sicherheit und Struktur beantworten: Wird auf ein legales Entsendemodell zurückgegriffen, liegt die Reiseorganisation zumeist professionell beim Anbieter. Als Familie bleiben vorbereitende Maßnahmen und die emotionale Begleitung der Startphase.

Die Zusammenarbeit kann gelingen, wenn organisatorische, rechtliche und menschliche Aspekte ernst genommen werden. Betreuungskräfte leisten täglich wertvolle Arbeit – mit Offenheit, Respekt und Struktur kann daraus eine intensive, tragfähige Beziehung erwachsen.

Wer sich weitergehend informieren möchte, kann u. a.:

  • sich an die Pflegeberatung der Krankenkasse wenden (gesetzlich verankert)
  • eine Beratungsstelle für Senioren und Angehörige in der Kommune kontaktieren
  • steuerliche Aspekte mit einem Lohnsteuerhilfeverein oder Steuerberater besprechen
  • seriöse Anbieter im Pflegebereich vergleichen und prüfen (z. B. Mitgliedschaft im Verband für häusliche Betreuung und Pflege – VHBP)

*„Gute Betreuung ist keine Frage der Herkunft, sondern der Haltung. Sie beginnt dort, wo wir füreinander Verantwortung übernehmen“*, so das Schlusswort von Dr. Neumann.

Die Entscheidung für häusliche Betreuung ist keine leichte – aber eine, die mit guter Vorbereitung und einem realistischen Blick auf Chancen wie Herausforderungen tragfähig gelingen kann.

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