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Geschichten unserer Betreuungskräfte: Lernen Sie die Menschen und ihre Motivationen kennen

Wer sind die Menschen, die meine Angehörigen betreuen werden? Diese Frage stellen sich viele Erwachsene in Deutschland, wenn sie mit der Realität konfrontiert werden, dass ein älteres Familienmitglied zunehmend auf Unterstützung im Alltag angewiesen ist. In einer alternden Gesellschaft, in der die Anzahl pflegebedürftiger Menschen kontinuierlich steigt, wird professionelle oder unterstützende Betreuung zu einem unvermeidbaren Bestandteil des Lebens vieler Familien.

Während sich Angehörige oft mit viel Hingabe und Engagement um betagte Eltern oder Großeltern kümmern, geraten sie dabei nicht selten an ihre emotionalen, physischen und zeitlichen Grenzen. Gleichzeitig entstehen etliche Fragen: Wie funktioniert häusliche Betreuung? Wer übernimmt die Pflege im Pflegeheim? Wie ist das rechtlich geregelt? Und vor allem – wer sind die Menschen, die diese so bedeutsame Arbeit leisten?

In diesem Artikel werfen wir einen einfühlsamen und informativen Blick auf die Geschichten und Motivationen der Betreuungskräfte – sei es in der häuslichen Pflege oder in Pflegeeinrichtungen. Zudem beleuchten wir die sozialen, kulturellen und rechtlichen Rahmenbedingungen, die in Deutschland für Pflegebedürftige und deren Angehörige gelten.

Die wachsende Bedeutung von Pflege in der deutschen Gesellschaft

Der demografische Wandel ist Fakt: Laut Statistischem Bundesamt wird im Jahr 2035 fast jeder dritte Mensch in Deutschland älter als 60 Jahre sein. Mit dem Alter steigt das Risiko für chronische Erkrankungen, eingeschränkte Mobilität und Demenz – alles Faktoren, die den Alltag erheblich erschweren können. Schon jetzt gelten über 5 Millionen Menschen in Deutschland als pflegebedürftig im Sinne des Elften Sozialgesetzbuchs (SGB XI).

Die Betreuung dieser Menschen wird in einem System getragen, das auf vier Säulen beruht:

  • der häuslichen Betreuung durch Angehörige
  • der professionellen ambulanten Pflege
  • der stationären Pflege in Einrichtungen
  • in zunehmendem Maße: durch osteuropäische Betreuungskräfte im 24-Stunden-Modell

Bei allen Modellen steht ein Mensch im Zentrum: die Betreuungskraft. Doch wer sind diese Personen und warum entscheiden sie sich für diese beruflich und emotional anspruchsvolle Aufgabe?

Wer betreut unsere Angehörigen? – Ein Blick hinter die Kulissen

Individuelle Motive und Lebensgeschichten

Die Beweggründe, sich dem Pflegeberuf oder einer Betreuungstätigkeit zu widmen, sind so vielfältig wie die Lebensläufe der Menschen selbst.

Ein Beispiel: Petra S., 48 Jahre, examinierte Altenpflegerin aus Brandenburg, hat nach einem persönlichen Schicksalsschlag – dem Tod ihrer Mutter nach langer Krankheit – ihren ursprünglichen Beruf in der Verwaltung aufgegeben und eine Pflegeausbildung begonnen. „Ich wollte Menschen beistehen, so wie ich mir das damals für meine Mutter gewünscht hätte“, sagt sie.

Ausländische Betreuungskräfte – vor allem aus Polen, der Slowakei oder Rumänien – entscheiden sich oftmals aus wirtschaftlichen Gründen für einen Einsatz in Deutschland. Doch jenseits der ökonomischen Notwendigkeit äußern viele von ihnen auch eine tiefe menschliche Motivation. So sagt etwa Helena K., 54 Jahre, Betreuungskraft aus Danzig: „Die Dankbarkeit in den Augen meiner Klientin bedeutet mir sehr viel. Es geht nicht nur um Geld – es geht darum, gebraucht zu werden.“

Der emotionale Anspruch der Betreuungsarbeit

Pflege ist nicht nur körperliche Hilfe. Sie bedeutet auch Nähe, Verständnis, Geduld. Viele Betreuungskräfte leisten dabei mehr als reine Versorgung: Sie sind Gesprächspartner, Tröster, Alltagsbegleiter. Besonders bei demenziell veränderten Menschen zählt jeder Moment der Zuwendung.

„In der Betreuung älterer Menschen ist Empathie eine Grundkompetenz – ebenso wichtig wie professionelle Pflegekenntnisse“, sagt Dr. Matthias Heller, Gerontopsychiater aus Stuttgart.

Die emotionale Belastung ist dabei nicht zu unterschätzen – weder für Angehörige noch für professionelle Betreuungspersonen. Burnout, Überforderung und psychische Erschöpfung sind reale Risiken. Umso wichtiger ist ein unterstützendes Umfeld und der Zugang zu Weiterbildung, Supervision und Entlastungsangeboten.

Rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen in Deutschland

Pflegegrade als Grundlage der Versorgung

Seit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Jahr 2017 entscheidet nicht mehr allein der körperliche Zustand eines Menschen über den Pflegegrad, sondern auch seine kognitive und psychische Verfassung. Die fünf Pflegegrade (1 bis 5) bilden die Grundlage für Leistungen aus der Pflegeversicherung. Je höher der Pflegegrad, desto umfangreicher die Unterstützungsmöglichkeiten.

Die Begutachtung erfolgt durch den Medizinischen Dienst (MD) anhand eines strukturierten Prüfverfahrens.

Leistungen der Pflegekasse – eine Übersicht

Abhängig vom Pflegegrad stehen Betroffenen und deren Angehörigen verschiedene finanzielle und praktische Unterstützungen zu:

  • Pflegegeld – für die häusliche Pflege durch Angehörige
  • Sachleistungen – für den Einsatz ambulanter Pflegedienste
  • Verhinderungspflege – als Ersatz, wenn pflegende Angehörige verhindert sind
  • Kurzzeit- und Tagespflege – zur temporären Entlastung
  • Pflegehilfsmittel – inklusive wohnumfeldverbessernder Maßnahmen

Diese Leistungen sind kombinierbar – je nach individueller Situation. Eine professionelle Pflegeberatung, verpflichtend durch die Pflegekassen vorgesehen, hilft bei der Orientierung.

Herausforderungen bei der Organisation häuslicher Betreuung

Die häusliche Pflege gilt in Deutschland nach wie vor als bevorzugte Versorgungsform – etwa 80 % aller Pflegebedürftigen werden zu Hause betreut, oft durch Angehörige oder mit Hilfe ausländischer Betreuungspersonen im sogenannten „24-Stunden-Modell“. Juristisch ist dieses Modell allerdings mit einer Grauzone belegt, da die Betreuungskräfte oft auf selbstständiger Basis tätig sind, dabei jedoch faktisch weisungsgebunden arbeiten – was dem deutschen Arbeitsrecht widerspricht.

Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Urteil 2021 klargestellt, dass auch ausländische Betreuungskräfte Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für sämtliche gearbeiteten Stunden haben – auch für Bereitschaftszeiten.

„Transparente vertragliche Regelungen und die Anerkennung fairer Arbeitsbedingungen sind aus menschenrechtlicher Sicht unverzichtbar“, betont Prof. Dr. Annette Hofmann, Soziologin mit Schwerpunkt Pflegearbeit an der Universität Bremen.

Pflege in Einrichtungen – oft letzter, aber notwendiger Schritt

Ambulante Dienste vs. stationäre Pflege

Wenn die Betreuung zu Hause nicht mehr gewährleistet werden kann, stellt sich die Frage nach einer stationären Versorgung. Pflegeheime und Seniorenresidenzen bieten Rund-um-die-Uhr-Betreuung – allerdings sind Plätze begrenzt, regionale Unterschiede beträchtlich und die Kosten hoch.

Ambulante Dienste wiederum ermöglichen vielen Senioren ein Weiterleben im vertrauten Umfeld und sichern medizinische und pflegerische Leistungen. Ihr Einsatz muss jedoch gut koordiniert werden – auch unter Mitwirkung von Angehörigen oder Betreuungshelfern.

Die Auswahl eines geeigneten Pflegedienstes oder einer Einrichtung erfordert:

  • Prüfung der Pflegequalitätsberichte
  • Transparente Kommunikation zur Pflegephilosophie
  • Berücksichtigung emotionaler und kultureller Bedürfnisse des Seniors

Kosten und Finanzierung stationärer Pflege

Die Finanzierung bleibt für viele Familien eine Herausforderung. Der Eigenanteil in stationären Einrichtungen liegt laut VdK bei durchschnittlich über 2.000 Euro pro Monat. Zwar leisten Pflegekassen Zuschüsse, doch diese decken nur einen Teil der tatsächlichen Ausgaben. Unter bestimmten Umständen greift die Sozialhilfe, jedoch nur nach Prüfung von Einkommen und Vermögen – auch der Angehörigen.

Einrichtungen bieten zudem häufig soziale Betreuungsangebote, geriatrische Therapieprogramme oder spezielle Demenzstationen – sie können für hochbetagte Menschen mit komplexen Krankheitsbildern lebenswichtig sein.

Praktische Tipps für Angehörige

Viele Angehörige befinden sich in einer dauerhaften Doppelbelastung zwischen Pflege, Beruf und Familie. Um langfristig für den geliebten Menschen da sein zu können, braucht es jedoch Struktur, Hilfe und Selbstfürsorge.

  • Suchen Sie frühzeitig Pflegeberatung vor Ort oder online (z. B. über die Pflegekassen oder kommunale Pflegestützpunkte)
  • Nutzen Sie Entlastungsleistungen wie Verhinderungspflege oder Tagespflege
  • Dokumentieren Sie Pflege- und Betreuungsaufwand – dies hilft bei der Antragstellung und der Koordination
  • Erstellen Sie gemeinsam mit Pflegekräften einen strukturierten Wochenplan
  • Achten Sie auf Ihre eigene psychische Stabilität – Selbsthilfegruppen oder psychologische Beratung können unterstützen

Fazit: Persönliche Nähe und professionelle Fürsorge – zwei Seiten derselben Medaille

Die Betreuung von älteren Menschen betrifft längst nicht mehr nur Pflegeprofis, sondern Millionen von Familien in Deutschland. Inmitten rechtlicher Regelungen, finanzieller Herausforderungen und organisatorischer Komplexität stehen immer reale Menschen – jene, die gepflegt werden, und jene, die pflegen.

Die Geschichten und Beweggründe von Betreuungskräften zeigen eines sehr deutlich: Pflege ist weit mehr als ein Beruf. Sie ist eine Aufgabe mit ethischer, emotionaler und gesellschaftlicher Dimension.

„Gute Pflege gedeiht dort, wo Vertrauen, Respekt und Verständnis auf qualifiziertes Handeln treffen“, so Dr. Anja Vogelsang, Pflegewissenschaftlerin an der Universität München.

Für Sie als Angehörige oder Betroffene gilt: Informieren Sie sich über Ihre Rechte und Möglichkeiten. Holen Sie sich Rat bei zertifizierten Beratungsstellen. Und erinnern Sie sich daran, dass Pflege eine gemeinsame Verantwortung ist – getragen von Solidarität und Menschlichkeit.

Mögliche nächste Schritte könnten sein:

  • Kontakt mit der Pflegeberatung Ihrer Krankenkasse aufnehmen
  • Prüfen, ob steuerliche Entlastungen in Anspruch genommen werden können
  • Sich über Möglichkeiten der häuslichen Betreuung – auch über Entsendemodelle – informieren
  • Netzwerke mit anderen pflegenden Angehörigen bilden

Ob häuslich oder stationär – letztlich zählt, dass Ihr Angehöriger mit Würde, Liebe und Fachkompetenz begleitet wird. Und dass Sie sich selbst dabei nicht verlieren.

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