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Pflege für bettlägerige Senioren: Dekubitusprophylaxe und Komfort im eigenen Bett

Die Frage „Wie pflegt man eine bettlägerige Person professionell?“ steht im Zentrum vieler familiärer Überlegungen in Deutschland. Mit dem demografischen Wandel und der stetig wachsenden Zahl älterer Menschen, die Unterstützungsbedarf haben, wird dieses Thema gesellschaftlich immer relevanter. Nahezu jede Familie wird früher oder später mit der Situation konfrontiert, dass ein Angehöriger dauerhaft bettlägerig wird – sei es infolge eines Schlaganfalls, fortschreitender Demenz oder chronischer Multimorbidität. Die Pflege zu Hause stellt dabei eine emotionale und organisatorische Herausforderung dar, insbesondere wenn es um die Vermeidung von Dekubitus (Druckgeschwüren) und die Erhaltung eines möglichst angenehmen Alltags geht.

Ziel dieses Textes ist es, einen umfassenden Überblick über Anforderungen und Handlungsmöglichkeiten bei der Pflege von bettlägerigen Seniorinnen und Senioren zu geben – mit besonderem Augenmerk auf die Dekubitusprophylaxe und den Komfort im häuslichen Umfeld. Neben medizinischen und pflegerischen Aspekten werden auch rechtliche, finanzielle und zwischenmenschliche Themen beleuchtet, um pflegenden Angehörigen eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu bieten.

Demografischer Wandel und Pflegebedarfe: Eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung

Deutschland gehört zu den ältesten Gesellschaften der Welt. Laut dem Statistischen Bundesamt wird der Anteil der über 67-Jährigen bis 2040 deutlich auf über 20 Millionen steigen. Parallel dazu wächst der Bedarf an Pflegeleistungen.

Viele Pflegebedürftige wünschen sich, so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu bleiben – auch bei Bettlägerigkeit. Doch was bedeutet das für Angehörige? Neben praktischen Fragen zur Mobilisation, Ernährung oder Hygiene stellen sich tiefergehende Fragen nach der Lebensqualität, dem Würdeerhalt und den eigenen Belastungsgrenzen.

Wie kann man also eine bettlägerige Person fachgerecht, menschlich und nachhaltig zu Hause pflegen?

Dekubitusprophylaxe: Prävention ist lebenswichtig

Was ist ein Dekubitus?

Ein Dekubitus – umgangssprachlich auch als „Wundliegen“ bekannt – ist eine durch Druck verursachte Schädigung der Haut und des darunterliegenden Gewebes, die häufig bei immobilen Menschen auftritt. Besonders gefährdet sind Körperstellen mit wenig Unterhautfett, wie Steißbein, Fersen oder Schultern.

Dekubitus kann sich schnell entwickeln und zu ernsten Infektionen führen. Eine effektive Prophylaxe ist daher eine zentrale Aufgabe in der Pflege bettlägeriger Menschen.

Grundpfeiler der Dekubitusprophylaxe

Eine gute Dekubitusprophylaxe beruht auf mehreren Elementen:

Lagerung: Regelmäßige Umlagerungen des Pflegebedürftigen – idealerweise alle 2 Stunden – vermindern den Druck auf gefährdete Stellen. Geeignete Lagerungstechniken wie die 30°-Seitenlage sind hierbei essenziell.
Druckentlastung: Spezielle Anti-Dekubitus-Matratzen (z. B. Wechseldruckmatratzen) oder Schaumstoffunterlagen reduzieren mechanische Belastung.
Hautpflege: Die Haut sollte täglich inspiziert und sanft gereinigt werden. Feuchtigkeit und Reibung sind zu vermeiden, etwa durch atmungsaktive Inkontinenzmaterialien.
Flüssigkeits- und Nährstoffversorgung: Eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Flüssigkeit fördert die Hautintegrität.
Bewegungsförderung: Selbst kleinste Bewegungen (z. B. mithilfe eines Bettgalgens) können die Durchblutung fördern.

„Wirkungsvolle Dekubitusprophylaxe beginnt beim Hinschauen – jede Veränderung der Haut kann ein Warnsignal sein“, betont Dr. Martina Vogt, Fachärztin für Geriatrie in Düsseldorf.

Komfort im eigenen Bett: Lebensqualität trotz Immobilität

Auch wenn Mobilität eingeschränkt ist, muss Lebensqualität nicht verloren gehen. Ein zentrales Ziel der Pflege ist es, den Alltag für die bettlägerige Person angenehm, sinnstiftend und würdevoll zu gestalten.

Psychisches Wohlbefinden

Viele bettlägerige Menschen leiden unter Isolation, Antriebslosigkeit oder depressiven Verstimmungen. Dem kann auf verschiedene Weise begegnet werden:

Kommunikation: Regelmäßige Gespräche, aktives Zuhören und die Einbeziehung in Entscheidungen stärken das Selbstwertgefühl.
Sinnvolle Beschäftigung: Auch eingeschränkt mobile Menschen können lesen, Hörbücher hören, an Gesprächen teilnehmen oder kreative Betätigung erleben.
Rituale und Struktur: Feste Tagesstrukturen vermitteln Stabilität und Orientierung.

„Selbst ein aufmerksames Gespräch beim Waschen oder das Begrüßen mit dem Vornamen sind für bettlägerige Menschen Zeichen von Respekt und Zuwendung“, erklärt Heike Brenner, examinierte Altenpflegerin mit langjähriger Erfahrung im häuslichen Bereich.

Bettausstattung und Hilfsmittel

Für den Komfort im Bett spielt die Ausstattung eine große Rolle:

Pflegebett mit elektrischer Höhenverstellung, verstellbarem Kopf- und Fußteil
Weiche, atmungsaktive Bettwäsche aus Naturmaterialien
Bettklingel oder Notrufsystem
Beistelltisch für Getränke, Bücher oder persönliche Gegenstände
Bequeme Lagerungskissen zur Druckvermeidung und Stütze

Pflege im privaten Umfeld: Organisation, Finanzierung und rechtliche Rahmenbedingungen

Pflegegrad und Leistungen der Pflegeversicherung

In Deutschland regelt das Elfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) die Leistungen der Pflegeversicherung. Voraussetzung für finanzielle und strukturelle Unterstützung ist die Feststellung eines Pflegegrades durch den Medizinischen Dienst (MD).

Die Pflegegrade 1 bis 5 unterscheiden sich nach dem Umfang der Selbstständigkeit. Wichtig: Auch bettlägerige Menschen ohne schwere kognitive Einschränkungen erhalten in der Regel Pflegegrad 4 oder 5.

Je nach Pflegegrad stehen unterschiedliche Leistungen zur Verfügung:

Pflegegeld für Angehörige (z. B. bei Pflegegrad 4: 728 € mtl.)
Sachleistungen für Pflegedienste
Kombinationsleistungen
Verhinderungspflege: Ersatzpflege bei Urlaub oder Krankheit der Pflegeperson
Entlastungsbetrag: 125 € monatlich, z. B. für Alltagsbegleitung
Kostenübernahme für Pflegehilfsmittel und Technikhilfen (z. B. Pflegebett, Lagerungskissen)

Überforderung vermeiden: Verhinderungspflege und Pflegeberatung

Pflegende Angehörige leisten enorm viel. Rund 66 % aller Pflegebedürftigen in Deutschland werden zu Hause versorgt – oftmals durch Ehepartner oder Kinder. Doch Pflege über Jahre hinweg kann zu Erschöpfung, Isolation oder sogar Erkrankungen führen.

Hier unterstützen gesetzliche Angebote:

Verhinderungspflege: Bis zu 1.612 € jährlich können z. B. für stundenweise Entlastung durch einen ambulanten Pflegedienst genutzt werden.
Pflegeberatung (§ 7a SGB XI): Kostenlose Beratungen durch Pflegekassen oder kommunale Pflegestützpunkte helfen bei Organisation und Antragstellung.
Pflegekurse für Angehörige vermitteln praktische Fertigkeiten und emotionale Selbstfürsorge.

„Pflege beginnt beim Wissen – wenn Angehörige die Mechanismen des Körpers und der Seele verstehen, können sie besser helfen“, so Dipl. Sozialpädagogin Karen Liedtke vom Pflegestützpunkt Lüneburg.

Externe und professionelle Unterstützung: Wann ist Hilfe von außen sinnvoll?

Nicht jede Betreuungssituation ist auf Dauer allein leistbar. Der Bedarf nach professioneller Unterstützung kann je nach Gesundheitszustand, Pflegeaufwand und familiären Ressourcen variieren.

Ambulante Pflegedienste

Ambulante Dienste übernehmen medizinisch-pflegerische Leistungen wie:

• Waschen, Lagern und Aktivieren
• Medikationsgabe
• Wundversorgung
• Organisation von Hilfsmitteln

Die Finanzierung erfolgt über die Pflegeversicherung (Sachleistungen), ggf. ergänzt durch Eigenanteile.

24-Stunden-Betreuung

In Deutschland arbeiten zahlreiche Pflegekräfte aus dem Ausland in häuslicher Betreuung. Rechtlich handelt es sich dabei meist um sogenannte Entsendemodelle.

Wichtig:

• Es gelten arbeitsrechtliche Regelungen (z. B. Mindestlohn, Ruhezeiten)
• Die Pflegekraft wohnt im gemeinsamen Haushalt
• Angehörige bleiben weiterhin in der Verantwortung

Stationäre Pflegeeinrichtungen (Pflegeheime)

Wenn häusliche Pflege nicht mehr ausreicht, ist ein Heimaufenthalt eine mögliche Option.

Kriterien für eine gute Einrichtung:

• Pflege durch examiniertes Fachpersonal
• Individuelle Betreuungskonzepte
• Nähe zur Familie
• Möglichkeiten der Freizeitgestaltung

Die Pflegeversicherung zahlt einen Eigenanteil begrenzt mit (Einrichtungspflegegradzuschlag), der Restbetrag wird privat oder über Sozialhilfe getragen.

Emotionale Aspekte der Pflege: Nähe, Würde und Abschied

Pflege ist nicht nur eine technische oder organisatorische Aufgabe – sie ist in erster Linie Beziehungspflege. Das Bett der pflegebedürftigen Person wird zum Lebensmittelpunkt: Ort des Rückzugs, der Fürsorge, aber oft auch der existenziellen Auseinandersetzung mit dem Leben und seiner Endlichkeit.

Respektvolle Berührungen, Empathie und gemeinsame Zeit sind nicht zu unterschätzen. Sie lindern Ängste, stärken Bindungen und bewahren die persönliche Würde.

„Pflege bedeutet, an der Biografie des anderen teilzunehmen – für eine Zeit lang Teil dieser Geschichte zu sein“, sagt Pflegedienstleiter Jan Küssner aus Bremen.

Fazit: Professionelle Pflege braucht Wissen, Mitgefühl und Netzwerke

Die Pflege bettlägeriger Seniorinnen und Senioren stellt hohe Anforderungen – körperlich wie emotional. Eine professionelle Versorgung ist jedoch auch im häuslichen Umfeld möglich, wenn pflegerisches Fachwissen genutzt, staatliche Unterstützungsangebote ausgeschöpft und eigene Ressourcen realistisch eingeschätzt werden.

Zusammenfassend:

Dekubitusprophylaxe ist essenziell und muss konsequent umgesetzt werden
Der Lebenskomfort im eigenen Bett lässt sich mit einfachen Mitteln steigern
Pflegeversicherung und Beratung bieten wertvolle Unterstützung
Pflege ist Beziehungsarbeit – sie braucht Geduld, Respekt und Mitgefühl

Wer pflegt, darf auch an sich selbst denken. Der Austausch mit anderen Angehörigen, Beratungsstellen oder Selbsthilfegruppen kann helfen, neue Kraft zu schöpfen. Informationsgespräche mit Pflegekassen, der Kontakt zum Sozialdienst im Krankenhaus oder die Vorbereitung eines Pflegetagebuchs können sinnvolle nächste Schritte sein.

Denn: Pflege bedeutet Zuwendung. Und Zuwendung wird zum Fundament einer würdevollen letzten Lebensphase.

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