Close-up of person counting cash with notepad on desk, indicating financial tasks.

Pflegegeld vs. Pflegesachleistungen: Was ist der Unterschied und was können Sie nutzen

In Deutschland stellt sich für viele Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen die Frage: Welche finanziellen und organisatorischen Leistungen kann ich in Anspruch nehmen, wenn ich eine Betreuungskraft aus Polen oder einem anderen osteuropäischen Land beschäftige? Besonders relevant ist dabei der Unterschied zwischen Pflegegeld und Pflegesachleistungen – zwei zentrale Unterstützungsformen der gesetzlichen Pflegeversicherung.

Diese Frage ist nicht nur eine bürokratische. Sie berührt tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen: Die deutsche Bevölkerung altert, die Zahl der Pflegebedürftigen steigt stetig. Laut dem Statistischen Bundesamt wird bis 2050 ein Drittel der Bevölkerung über 60 Jahre alt sein. Gleichzeitig fehlt es an professionellen Pflegefachkräften, und viele Erwachsene – häufig Töchter und Söhne in ihren 40er oder 50er Jahren – übernehmen Pflegeverantwortung für ihre Eltern, während sie selbst beruflich und familiär stark eingebunden sind.

In diesem Kontext wird die Unterstützung durch ausländische Betreuungskräfte, insbesondere aus Polen, zur wichtigen Alternative. Doch viele Angehörige stellen sich Fragen: Welche Leistungen kann ich kombinieren? Was darf ich rechtlich tun? Und wie entscheide ich zwischen Pflegegeld und Pflegesachleistungen? Dieser Artikel erklärt die zentralen Unterschiede, zeigt auf, was Sie nutzen können und gibt praktische Tipps für die Pflegeorganisation im Alltag – empathisch, fundiert und orientiert an der deutschen Lebensrealität.

Pflegebedürftigkeit in Deutschland: Eine gesellschaftliche Herausforderung

Deutschland steht vor einer demografischen Zeitenwende. Mit zunehmendem Alter steigen chronische Erkrankungen, Einschränkungen der Mobilität und kognitive Veränderungen wie Demenz. Das Statistische Bundesamt meldete für Ende 2021 über 5 Millionen Pflegebedürftige – Tendenz steigend.

Pflegebedürftig im Sinne der Pflegeversicherung ist, wer aufgrund alters-, krankheits- oder unfallbedingter Beeinträchtigungen langfristig Hilfe im Alltag benötigt. Die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst führt zur Einstufung in einen Pflegegrad (1 bis 5), wobei ab Pflegegrad 2 zusätzliche finanzielle Leistungen zur Verfügung stehen.

Diese Entwicklung stellt Angehörige, Kommunen und die Pflegeversicherung vor enorme Herausforderungen:

  • Emotionale Belastung: Angehörige fühlen sich oft überfordert, erschöpft und alleingelassen.
  • Zeitmangel und Arbeitsbelastung: Viele Berufstätige können Pflegeaufgaben nur schwer mit ihrer Erwerbstätigkeit vereinen.
  • Fachkräftemangel: Es fehlen ausgebildete Pflegekräfte in der stationären und ambulanten Versorgung.
  • Kulturelle und emotionale Erwartungen: Der Wunsch, Eltern im eigenen Zuhause zu betreuen, steht tief im kulturellen Selbstverständnis, kollidiert aber oft mit den realen Möglichkeiten.

In dieser Lage greifen viele Familien auf Betreuungspersonen aus Polen zurück – eine Form der sogenannten 24-Stunden-Betreuung, die jedoch rechtlich, organisatorisch und finanziell gut geplant sein will.

Pflegegeld und Pflegesachleistungen: Was ist was?

Die Pflegeversicherung stellt zwei zentrale Leistungsformen zur Verfügung, die für häusliche Pflege genutzt werden können:

  • Pflegegeld: Eine monatliche Geldleistung, wenn Angehörige oder andere Laien die Pflege übernehmen.
  • Pflegesachleistungen: Leistungen für die Inanspruchnahme professioneller ambulanter Pflegedienste.

Welche der beiden Optionen für Sie sinnvoll ist, hängt von der konkreten Betreuungssituation, dem Pflegegrad und den individuellen Vorlieben ab.

Pflegegeld: Wer pflegt, erhält Unterstützung

Pflegegeld ist besonders relevant, wenn Angehörige oder Betreuungspersonen ohne Kassenzulassung (z. B. polnische Betreuungskräfte) die Pflegeleistung erbringen.

Die Höhe des Pflegegeldes richtet sich dabei nach dem Pflegegrad:

  • Pflegegrad 2: 316 € monatlich
  • Pflegegrad 3: 545 €
  • Pflegegrad 4: 728 €
  • Pflegegrad 5: 901 €

Das Pflegegeld wird direkt an die pflegebedürftige Person ausgezahlt, die frei darüber verfügen kann – etwa auch zur Finanzierung einer Betreuungskraft aus Polen.

Pflegesachleistungen: Professionelle Pflege zuhause

Pflegesachleistungen können genutzt werden, wenn ein anerkannter ambulanter Pflegedienst beauftragt wird. Auch hier gibt es je nach Pflegegrad Höchstbeträge:

  • Pflegegrad 2: 724 € im Monat
  • Pflegegrad 3: 1.363 €
  • Pflegegrad 4: 1.693 €
  • Pflegegrad 5: 2.095 €

Diese Leistungen fließen direkt an den Pflegedienst – nicht an den Pflegebedürftigen. Ein großer Vorteil: Die Qualität der Leistungen unterliegt gesetzlichen Standards und wird regelmäßig überprüft.

Kombinationsleistung: Pflegegeld und Sachleistung zusammen nutzen

Was viele nicht wissen: Pflegegeld und Pflegesachleistungen können kombiniert werden. Wenn beispielsweise ein ambulanter Pflegedienst nur teilweise die Versorgung übernimmt, kann der restliche nicht ausgeschöpfte Leistungsbetrag anteilig als Pflegegeld ausgezahlt werden.

Ein Praxisbeispiel:

Herr Becker (Pflegegrad 3) erhält Pflegesachleistungen im Wert von 50 % des Höchstbetrags (ca. 681,50 €). Die restlichen 50 % seines Anspruchs wandeln sich in anteiliges Pflegegeld (545 € x 50 % = 272,50 €). Diese Kombination ermöglicht flexible Gestaltung – z. B. eine Mischung aus professioneller Hilfe und Betreuung durch eine polnische Pflegekraft.

Polnische Betreuungskräfte in Deutschland: Zwischen pragmatischer Hilfe und juristischer Grauzone

Die sogenannte „24-Stunden-Pflege“, häufig durch Frauen aus Polen geleistet, ist in Deutschland weit verbreitet, auch wenn sie rechtlich nicht als echte Pflegeleistung gilt – denn die Betreuungskräfte sind keine examinierten Pflegerinnen.

„Das Modell funktioniert in vielen Familien gut, doch die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen unbedingt beachtet werden“, betont Dr. Monika Reuter, Pflegejuristin in Düsseldorf.

Mögliche Modelle der Beschäftigung

Grundsätzlich gibt es drei rechtlich zulässige Beschäftigungsformen:

  • Entsendung: Das polnische Unternehmen entsendet die Betreuungskraft nach Deutschland. Dieses Modell ist in der EU legal, wenn Sozialversicherungspflichten im Heimatland erfüllt werden.
  • Direkter Arbeitsvertrag: Die Betreuungskraft wird von der zu betreuenden Person oder deren Familie direkt angestellt – inklusive Anmeldung bei der Minijob-Zentrale oder Sozialversicherung.
  • Selbstständigkeit: Betreuungskräfte arbeiten auf selbstständiger Basis, was in der Praxis problematisch sein kann, da die Gefahr von Scheinselbstständigkeit besteht.

Achtung: Die häufig gelebte „Rund-um-die-Uhr-Betreuung“ stößt beim Arbeitszeitgesetz an klare Grenzen. Betreuungskräfte dürfen nicht dauerhaft rund um die Uhr beschäftigt werden – gesetzlich gelten maximale Arbeitszeiten und Pausenregelungen.

Was davon können Sie mit Pflegegeld finanzieren?

Wenn Angehörige nicht selbst pflegen, sondern eine Betreuungskraft aus Polen einsetzen, kann das Pflegegeld genutzt werden, um deren Vergütung (teilweise) zu finanzieren. Entscheidend ist: Die Pflegeversicherung prüft nicht, wie das Pflegegeld verwendet wird – solange es Pflegepersonen im häuslichen Bereich zugutekommt.

Einige Familien zahlen zudem ergänzend aus eigener Tasche – insbesondere, wenn die Betreuungskraft im Haushalt lebt, freie Kost und Logis erhält und einen höheren Stundenlohn erhält.

Ambulant vor stationär: Welche Alternativen gibt es?

Die Pflegeversicherung folgt dem Grundsatz „ambulant vor stationär“. Ziel ist es, Pflegebedürftige möglichst lange im eigenen Zuhause zu lassen. Dazu stehen neben Pflegegeld und Pflegesachleistungen weitere ergänzende Mittel zur Verfügung:

Verhinderungspflege

Wenn die reguläre Pflegeperson (z. B. ein Angehöriger) vorübergehend verhindert ist (Urlaub, Krankheit etc.), finanziert die Pflegeversicherung maximal 1.612 € pro Jahr für eine Ersatzpflege – z. B. durch eine Betreuungskraft.

Zusätzlich können 50 % der Kurzzeitpflegeleistungen (bis zu 806 €) auf die Verhinderungspflege angerechnet werden.

Pflegehilfsmittel

Monatlich stehen 40 € für Pflegehilfsmittel zum Verbrauch (z. B. Einmalhandschuhe, Desinfektionsmittel) zur Verfügung. Auch technische Hilfen (z. B. Pflegebett, Patientenlifter) können bei der Pflegekasse beantragt werden.

Entlastungsbetrag

Pflegebedürftige ab Pflegegrad 1 haben Anspruch auf den sogenannten Entlastungsbetrag in Höhe von 125 € monatlich. Dieser kann für anerkannte Betreuungsangebote oder haushaltsnahe Dienstleistungen eingesetzt werden – allerdings nur bei registrierten Anbietern.

Stationäre Pflege als letzter Schritt

Wird die häusliche Pflege irgendwann unmöglich – etwa aufgrund einer fortschreitenden Demenzerkrankung – kann stationäre Pflege im Pflegeheim notwendig werden. Die Pflegeversicherung übernimmt dabei je nach Pflegegrad einen festen Betrag, während der „Eigenanteil“ vom Pflegebedürftigen selbst zu leisten ist.

Im Jahr 2024 liegt dieser bundesweit im Durchschnitt bei über 2.000 € monatlich – ein erheblicher Kostenfaktor, der viele Haushalte finanziell überfordert.

Praktische Tipps zur Organisation der häuslichen Pflege

  • Pflegeberatung nutzen: Jeder Versicherte hat Anspruch auf kostenlose Pflegeberatung nach § 7a SGB XI. Die Beratung hilft, Leistungen optimal zu kombinieren und individuelle Lösungen zu finden.
  • Dokumentation führen: Halten Sie Pflegeaufgaben schriftlich fest. Dies dient nicht nur der Übersicht, sondern kann auch bei Prüfungen der Pflegekasse hilfreich sein.
  • Regelmäßige Pflegevisiten: Wenn Pflegegeld bezogen wird, schreibt die Kasse alle sechs Monate (ab Pflegegrad 2) eine Beratung durch einen Pflegedienst vor – diese wird übernommen.
  • Steuerliche Absetzbarkeit: Pflege- und Betreuungsleistungen können unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich geltend gemacht werden (§ 33 EStG).

„In der Pflege ist Planung alles – gute Koordination kann pflegende Angehörige entscheidend entlasten“, sagt Dr. Thomas Weber, Pflegeberater in München.

Fazit: Zwischen Unterstützung und Eigenverantwortung

Die Pflege von Angehörigen ist eine zutiefst persönliche und emotional herausfordernde Aufgabe. Der deutsche Sozialstaat bietet mit Pflegegeld und Pflegesachleistungen wichtige Instrumente, um diese Last zu mildern – sowohl finanziell als auch organisatorisch. Die Beschäftigung einer Betreuungskraft aus Polen kann eine praktische Lösung darstellen, muss jedoch rechtlich korrekt und sozial ausgewogen gestaltet werden.

Wer sich frühzeitig informiert, die Leistungen intelligent kombiniert und realistische Erwartungen an die Pflege stellt, schafft ein Pflegeumfeld, das sowohl den Bedürfnissen des Pflegebedürftigen als auch den Pflegenden gerecht wird.

Pflege ist kein statischer Zustand – sie muss sich an Veränderungen anpassen können. Nutzen Sie die Pflegeberatung, gestalten Sie die Pflege in Etappen und sichern Sie sich ab, bevor Überlastung eintritt.

Es lohnt sich, nicht nur die Leistungen zu verstehen, sondern auch den rechtlichen Rahmen und die sozialen Dimensionen zu reflektieren. Denn: Gute Pflege beginnt mit guter Information.

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